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Das linke Moral-Monopol

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Oder: Warum es den Kapitalismus nicht wertfrei gibt.
Von Rainer Hank

###© Foto Archiv 

Vielleicht mögen Sie sich einmal diese beiden großartigen – und extrem unterschiedlichen 90-Sekunden-Videos – über den Kapitalismus anschauen. Da kann man idealtypisch und holzschnittartig das linke und das liberale Narrativ der Marktwirtschaft studieren. Während für die Linken der Kapitalismus bis heute „Ausbeutung“ und „Unterdrückung“ bedeutet, der, wenn es gut geht, durch starke Gewerkschaften und einen umfassenden Wohlfahrtsstaat mehr schlecht als recht gezähmt wird, um erträglich zu werden, ist für die Liberalen der Kapitalismus ein Weg der „Befreiung“, der die Menschen reich macht, sofern sie sich darauf einlassen, Eigentumsrechte und Vertragsfreiheit anerkennen und unternehmerischer Kreativität ihren Lauf lassen.

Beide Erzählungen sind in sich schlüssig. Beiden Erzählungen liegt ein moralisches Apriori zugrunde. Es ist eine Illusion zu meinen, es gäbe vorurteilsfreie Welterkenntnis. Zielführender wäre es, die zugrunde liegenden Weltanschauungen transparent zu machen und die Aprioris selbst zum Gegenstand des streitigen Diskurses zu machen, anstatt sie dezisionistisch als gegeben und vom Himmel gefallen zu behandeln. Die Linken müssten dann begründen, warum Ungleichheit überhaupt ein Problem ist statt immer gleich bei der Frage zu starten, wie man Unterschiede egalisieren könnte (beliebt ist vor allem die drastische Besteuerung) und die Ungleichheit zu beweinen. Viele Liberale indessen müssten sich vorhalten lassen, dass von der Marktwirtschaft generierte Effizienz- und Wohlfahrtsgewinne per se noch kein moralisches Argument für die Überlegenheit des Kapitalismus sind. Sie müssten zeigen, dass und wie der Kapitalismus für alle ein Freiheitsgewinn ist.

Erst so käme man auch der Frage auf den Grund, warum das linke Narrativ viel mehr Zustimmung findet als das liberale, obwohl zum Beweis der Überlegenheit des liberalen Narrativs ein kurzer Blick nach China seit Deng 1997 genügt (falls die Wohlstandsgeschichte Europas und Amerikas nicht schon Beweis genug ist): Marktwirtschaft schafft Armut ab. Jedenfalls rächt es sich, dass viele Ökonomen Fragen der Moral als „unwissenschaftlich“ suspendiert haben, um scheinbar „wertfrei“ dem Modell-Design zu frönen. So muss man sich nicht wundern, dass die Linken in Sachen politischer Ökonomie bis heute ein Monopol beanspruchen. Auch dieses Monopol muss, wie alle Monopole, dringend geschleift werden.

Das Buch zum Blog von Rainer Hank gibt es hier:

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von Rainer Hank erschienen in What’s left ein Blog von FAZ.NET.


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